Wechsle die Perspektive
Warum es sich lohnt, die Sichtweise zu ändern – und wie es im Alltag gelingt
Check-In: Wann hast du das letzte Mal etwas aus einem anderen Blickwinkel betrachtet?
Eine politisch brisante Woche liegt hinter uns - statt Zusammenarbeit und Konsens prallen Meinungen aufeinander und es entstehen unlösbare Konflikte. Ich mache mir Sorgen und frage mich: “Was kann ich tun?“
Gleichzeitig habe ich morgen meine Abschlussprüfung zur systemischen Coachin. Als Teil der Prüfung habe ich ein Coaching Credo geschrieben, wo deutlich wird, wie und warum ich als Coachin arbeiten möchte und das passt dann doch wieder ganz gut zur aktuellen Situation:
“Ein besonderes Anliegen ist mir wieder mehr Verständnis zu schaffen zwischen Menschen, die in unterschiedlichen Lebensrealitäten leben. Mit Workshops zur Teamentwicklung trage ich dazu bei, dass trotz unterschiedlicher Hierarchielevel Zusammenarbeit auf Augenhöhe entsteht. Ich glaube, dass wir nur gemeinsam mit unseren unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven die Herausforderungen dieser komplexen Welt schaffen können.”
Als Coachin biete ich den Menschen durch meine Fragen an, ihr Thema oder Problem mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Wahrscheinlich kennen wir es alle: Wir reden mit einer Kollegin oder einem Kollegen und dieser antwortet nur einsilbig. Schnell fragt man sich: “Hab ich was falsch gemacht? Mag er oder sie mich nicht mehr?”. Vielleicht hat er oder sie aber auch nur einen schlechten Tag, ist gerade in die Arbeit vertieft oder oder oder. In 99 Prozent der Fälle liegt es nicht an uns.
Perspektive wechseln kann schwer fallen
Ein anderes Beispiel, ein älteres Teammitglied äußert sich in einem Meeting kritisch zu einer neuen Idee, während du sie als vielversprechend empfindest. Leicht wäre es, hier zu sagen, die Person möchte aufgrund ihres Alters keine Veränderung. Aber versetz dich mal in seine/ihre Perspektive. Vielleicht hat er/sie in der Vergangenheit Erfahrungen gemacht, die die Risiken für die Idee höher bewerten als ihre Chancen.
Dieser Perspektivwechsel kann schwerfallen, ist aber meiner Meinung nach der einzige Weg zu einem Miteinander auf Augenhöhe. Es heißt auch nicht, dass wir die Perspektive unseres Gegenübers gutheißen oder teilen müssen. Es reicht häufig schon, wenn wir zulassen, dass beide Meinungen nebeneinander stehen dürfen und ihre Berechtigung haben.
Perspektivwechsel üben
Wie aber gelingt der Perspektivwechsel im Alltag? Drei Tipps aus der systemischen Coachingpraxis:
1. Was würde XY dazu sagen?
Frage dich in der nächsten Konfliktsituation mal, was eine weitere unbeteiligte und neutrale Person dazu sagen würde. Was könnte sie sehen oder hören, was du selbst in deiner Position nicht direkt wahrnimmst? Kann es sogar sein, dass ihr beide recht habt oder könnte die neutrale Person sogar noch einen ganz neuen Aspekt mit einbringen, den ihr beide nicht betrachtet habt?
2. Visualisieren
Für einen Perspektivwechseln kann es auch helfen, wenn wir unsere Gedanken und Gefühle visualisieren. Zum Beispiel kannst du aufschreiben oder aufmalen, was du fühlst. Dadurch werden unsere Gedanken greifbarer. Wenn du etwas Abstand zwischen dem Visualisieren und Betrachten lässt, dann siehst du häufig klarer, aus welchen Perspektiven du das Ganze noch betrachten kannst.
3. Urteilsfrei zuhören statt bewerten
Oft bewerten wir sofort das Gehörte. Versuche, aktiv zuzuhören, ohne direkt zu urteilen. Ich erinnere mich manchmal selbst: ‘Das ist eine Bewertung.’ Frage nach, wenn du etwas nicht verstehst, und höre einfach zu.
Wenn du regelmäßig versuchst, die Perspektive zu wechseln, wird es dir immer leichter fallen. Auch der Perspektivwechsel ist nur eine Frage der Übung. Dies hilft nicht nur in Konflikten mit anderen, sondern auch wenn uns selbst etwas Schlimmes passiert. Denn auch da kannst du einfach mal die Perspektive wechseln und überlegen, ob du etwas Gutes aus der Situation ziehen kannst.
Check-out: Denk an den letzten Konflikt, den du mit einer Person hattest. Überlege einmal, ob dir eine der Strategien geholfen hätte oder probiere es sogar direkt mal aus.
Ich hoffe, du konntest auch aus diesem Newsletter etwas für dich mitnehmen. Teil mir doch mal deine Perspektive mit und schreib mir eine Nachricht.
Ich wünsche dir einen guten Start ins Wochenende und habe am Ende noch einen Lesetipp, für alle, die das Thema Perspektivwechsel und die Gleichzeitigkeit verschiedener Meinungen interessiert: Alles, was dazwischen liegt von Nesibe Kahraman.
Nele